Stress, Essverhalten und Fettzunahme

Kapitel 1

1. Warum sind die Zusammenhänge zwischen Stress, Essverhalten und Fettzunahme so unbekannt?

Emotionales Essen ist inzwischen auch in der Fitnesswelt zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Allerdings findet hier oft eine so starke Pauschalisierung statt, dass diese schon wieder selbst zum Problem werden kann.

Beispiel:

Emotionales Essen ist die Folge von Stress.”

Dieser pauschalisierte Zusammenhang ist wohl das, was viele unterbewusst mit emotionalem Essen assoziieren.

Aber so einfach ist das nicht!

Im Folgenden soll es nicht um das emotionale Essen gehen, sondern um eine etwas differenziertere Betrachtung von Stress und dessen Wirkung auf Essverhalten und Fettzunahme.

Randbemerkung:
Emotionales Essen kann auch bei positiven Emotionen stattfinden.

Disclaimer:
Die folgende Erklärung deckt nicht ALLES ab, was es zu dem Thema zu sagen gäbe und soll lediglich ein Verständnis für die Komplexität der Zusammenhänge aufzeigen!

Alles hängt mit allem zusammen!

Stress und Cortisol per se zu verteufeln, geht völlig an der Realität vorbei!

U.a. deswegen weil die Wirkung von Cortisol z.B. davon abhängig ist, ob es sich um akuten oder chronischen Stress handelt und Cortisol auch positive Funktionen erfüllt und uns nicht nur das Leben schwer macht.

Dies ist auch entscheidend für die Wirkung auf das Essverhalten und die physiologischen Folgen.

Das Problem ist nun, dass sich diese Komplexität nicht so einfach in Studien untersuchen lässt.

Mit einem guten Studiendesign kann man die Wirkung von akuten Stressoren auf Essverhalten gut untersuchen.

Akuter Stress wirkt sich jedoch nicht in gleichem Maße so negativ auf Fettzunahme und Essverhalten aus, wie chronischer Stress!

Möchte man nun aber die Wirkung von chronischem Stress auf Essverhalten und Fettzunahme beobachten, müsste man die Testpersonen möglichst lange unter kontrollierten Bedingungen in ein Labor sperren und hätte sie damit auch gleich wieder von ihren wahren chronischen reallife Stressoren isoliert und gleichzeitig neue Stressoren erschaffen, was das Ergebnis wiederum verfälscht.

Hier ist also Mitdenken gefragt!

Beispiel:

Den exakten Kalorienintake und die Lebensmittelauswahl- und Ernährungsgewohnheiten infolge von jahrelangem Familien- und Beziehungsstress, finanziellen Problemen, Stress durch Arbeit etc. lassen sich nicht in einem Labor untersuchen.

Dies ist ein Grund, warum das Thema nicht so einfach zu untersuchen ist, wie man denken könnte.

Obwohl dies dringend notwendig wäre, da sich die Wirkung und gesundheitlichen Konsequenzen von akutem und chronischen Stress unterscheiden.

Abgesehen davon, ist die Komplexität unseres Alltags und die damit einhergehenden potenziellen Stressoren, völlig anderer Natur, als die Stressoren unserer steinzeitlichen Vorfahren, deren Physiologie wir dennoch bis heute in uns tragen.

Egal was man macht, man hat immer einen Trade-off an Genauigkeit, der dazu führt, dass man am Ende, weder die Komplexität der Realität genau abbilden, noch pauschale Aussagen treffen kann, die die Unterschiede im Essverhalten, die wir in der Realität beobachten, genauso abbilden.

Das Prinzip von Schrödingers Katze und der Heisenbergschen Unschärferelation aus der Quantenwelt, begegnet uns als grundsätzlich in der Wissenschaft.

Je genauer wir etwas untersuchen wollen, desto mehr verfälschen wir das Ergebnis, weil wir Einfluss auf die Variablen nehmen, von denen wiederum das Ergebnis abhängig ist.

Dennoch wissen wir inzwischen genug, um sagen zu können, dass es in erster Linie der chronische Stress ist, der mit Essverhalten und v.a. Übergewicht zusammenhängt und es einen klaren physiologischen Grund gibt, warum die Betroffenen eher zu Heißhunger neigen und es ihnen schwerer fällt abzunehmen.

Diesen Menschen ist nicht mit „Iss weniger!“ oder „Es kommt nur aufs Kaloriendefizit an!“ geholfen!

Weil diese offenkundige Tatsache nicht die Ursache ihres eigentlichen Problems löst, das erst dazu führt, dass es ihnen schwerer fällt dies umzusetzen.

Foto by Warren Wong