Detox, Entgiften, Entschlacken & Co. – Was bringt es wirklich?

Kapitel 7

7. Marketing – Das Spiel mit der Angst und der Hoffnung

Foto by Averie Woodard
Foto by Averie Woodard

Es bleibt die Frage, was dazu führt, dass Menschen solche zum Teil extremen Diäten durchführen und viel Geld für unnütze Produkte ausgeben, die erwiesenermaßen Humbug sind.

Der Erfolg dieser Kuren ist wohl hauptsächlich  ein psychologisches Phänomen: Der Wunsch nach Erlösung, Reinigung und Befreiung zieht sich durch die Menschheitsgeschichte. Er ist tief in in der menschlichen Psyche verwurzelt und nicht ohne Grund ein wesentliches Motiv jeder Religion.

Passenderweise haben sich diese religiösen Spuren auch im Sprachgebrauch manifestiert. Die Schokolade  trägt das Dogma der “süßen Sünde” oder der “süßen Versuchung”, der du immer wieder erlegen bist. Alles, was unsere Willenskraft herausfordert, ist der Teufel persönlich.

Einzelne Ernährungsformen nehmen ebenfalls religiöse Züge an. Ihre “Glaubensanhänger” zeigen zum Teil missionarisches Verhalten, indem sie belehren und andere überzeugen wollen, was gut und was böse ist.

Du hast im Laufe deines Lebens gelernt, was richtig und falsch ist, was gesund und was ungesund ist. Dieses Muster ist im Zusammenhang mit Lebensmitteln alles andere als hilfreich und führt oft zu einer ungesunden Einstellung zum Essen.

Durch dieses Denkmuster entsteht bei dir das schlechte Gewissen, wenn du mal wieder etwas gegessen hast, das nicht in die “gute” Kategorie fällt. Am liebsten wärst du immer diszipliniert, würdest jeder Versuchung widerstehen können und nicht vom rechten Weg abkommen. Doch du schaffst es nicht.

Das Marketing der Detoxprodukte setzt genau hier an: Befreie dich von deinen Sünden, reinige dich, finde Erlösung.

So funktioniert Marketing: Man streut gezielt Salz in deine Wunden. Du bist unzufrieden mit deinem Körper? Du bekommst dein Essen nicht auf die Reihe?
Kein Problem, die Fitnessindustrie hat das richtige Produkt für dich. Du musst nur zahlen, dann wirst du schlank und schön.

Im Falle der Detox-Diäten und -Produkte setzt man noch eins oben drauf. Man erschafft ein Problem, wo eigentlich gar keins ist. Man erklärt dir, warum es dir schlecht geht und warum du nicht abnehmen kannst. Man teilt dir mit, dass du ein Problem hast, und verkauft dir die Problemlösung.

Wenn keine Nachfrage existiert, kann es auch kein Angebot geben, also muss die Nachfrage künstlich geschaffen werden. Das geht bei Menschen am besten über Ängste und Emotionen.  

Zunächst erklärt man dir, dass du etwas ganz schlechtes gemacht hast: Du hast dich ungesund ernährt, dein Stoffwechsel funktioniert nicht richtig, weil deine Zellen mit “bösen Schlacken verstopft sind”. Deswegen kannst du nicht abnehmen, hast schlechte Haut, bist immer müde und kränklich.

Dann erklärt man dir, dass du dich von diesen “Sünden” reinigen kannst, indem du die “gute” Detox-Kur machst. Dann nimmst du ab, siehst toll aus, bist erfolgreich und dein Leben ist wieder in Ordnung.

Das ist eine Art moderner Ablasshandel: Du kannst dich von deinen “Sünden” freikaufen und kommst in den Himmel statt in die Hölle.

Schwarz-Weiß-Denken funktioniert auch hier zuverlässig. Das ist ein Denkmuster, dass dir schon früh beigebracht wurde. Wenn dir deine Mama ein Märchen vorgelesen hat, dann hat dein kleines Gehirn ganz einfach gelernt, dass es gute Prinzessinnen und böse Hexen gibt, von denen man sich fernhalten sollte.

So etwas ist wichtig, weil kleine Menschen erst lernen müssen, was sicher und was unsicher ist und welche gesellschaftliche Regeln sie einzuhalten haben, um sich in die soziale Gemeinschaft zu integrieren. Kleine Kinder kennen zuerst noch kein gut und böse, richtig und falsch. Großen Kindern wie dir, ist es inzwischen in das Unterbewusstsein eingebrannt. Mit diesem Denkmuster siehst du die Welt und lebst dein Leben, oft ohne es jemals infrage gestellt zu haben.

Das mit der Prinzessin und der Hexe funktioniert bis heute. Wenn man dir ein Fitness-Produkt verkaufen will, zeigt man dir einfach eine Prinzessin dazu. Frauen, die so aussehen, wie du gern wärst.

Sie ist schlank, sieht gut aus, ist bei Frauen und Männern begehrt, erfolgreich und immer gut drauf. Und nett ist sie auch noch. Ein klarer Beweis, dass sie weiß, was richtig und falsch ist.

Das Ganze in unschuldigen, pastelligen Farben gehalten und dein Unterbewusstsein macht daraus “Das ist was Gutes”, “Damit nehme ich ab.” In das Marketing wurde vermutlich mehr Arbeit und Geld gesteckt, als in das Produkt selbst.

Warum verhalten sich Menschen so irrational, wenn es um ihr Aussehen geht?

Foto by Wei Ding
Foto by Wei Ding

Um dich dazu zu bringen, freiwillig Geld zum Fenster heraus zu schmeißen, muss man in deinem Gehirn bestimmte Schalter aktivieren. Diese hängen meist mit den menschlichen Urinstinkten zusammen:

Essen
Sex
Sozialer Status
Überleben.

Beim anderen Geschlecht gut anzukommen und “besser auszusehen als die Konkurrenz” ist evolutionsbiologisch von Vorteil gewesen. Fortpflanzung und Überleben sind die  primitivsten Instinkte aller Lebewesen, anhand derer sich sehr oft Handlungsentscheidungen und Verhaltensweisen erklären lassen.

Du willst gut aussehen, schlank sein, um gut anzukommen. Das ist das aktuelle gesellschaftliche Schönheitsideal, dem du entsprechen willst, um ganz oben mitzuspielen. Wenn du es bisher nicht geschafft hast, deinen “Marktwert” über andere Eigenschaften zu steigern, bleibt nur das.

Wenn kleine Mädchen von klein auf lernen, dass Mama und Papa ganz stolz sind, wenn ihre kleine Prinzessin mit “wie hübsch”, “wie süß”, “wie bezaubernd” gelobt wird, lernt die kleine Prinzessin, dass sie hübsch, süß und bezaubernd sein muss, um Mama und Papa glücklich zu machen und ihre Liebe zu gewinnen.

Die Liebe unserer Eltern ist unsere erste große Liebe. Von ihnen lernen wir unsere ganz eigene Auffassung von Liebe. Wenn die kleine Prinzessin nur Liebe bekommen hat, wenn sie brav und hübsch war und Leistung in der Schule gebracht hat, dann wird sie mit dieser Vorstellung von Liebe durchs Leben gehen.

Sie wird es Menschen recht machen wollen, um anerkannt zu werden. Sie wird immer versuchen, zu gefallen und dem gesellschaftlichen Rollenbild der Frau zu folgen. Entsprechend sammelt sie Menschen um sich herum, die genau das von ihr erwarten. So wiederholt sie das, was sie als kleine Prinzessin gelernt hat, und fühlt sich auf ewig getrieben, den Erwartungen zu entsprechen.

Emotionen entspringen oft aus Erfahrungen unserer Vergangenheit. Wenn etwas das emotionale Zentrum unseres Gehirns triggert, fließt der Großteil der Energie dorthin. Für den rationalen Teil bleibt dann nicht mehr viel übrig, sodass dieser kaum eine Chance hat, sich durchzusetzen. Das ist der klassische Fall von “Ich weiß, dass das falsch ist, mache es aber trotzdem.”

Dieses Muster aufzubrechen ist schwer und ein langer, schmerzhafter Prozess, denn es fühlt sich zunächst “falsch” und wie ein Kontrollverlust an. Alles, was uns vertraut ist, haben wir scheinbar unter Kontrolle und das suggeriert Sicherheit. Alles, was neu und ungewohnt ist, dagegen nicht. Aber dies ist der einzige Weg, destruktive Denkmuster zu beseitigen.

Als erwachsene Frau kannst du selbst entscheiden, ob du noch die Prinzessin sein willst oder es an der Zeit ist, eine Königin zu werden. Du hast die Wahl, deine Unzufriedenheit in Detox-Tee zu ertränken oder dein Leben selber in die Hand zu nehmen, deine bisherigen Denkmuster in Frage zu stellen und dein Leben mit Dingen zu bereichern, die dich langfristig zufrieden machen.