Detox, Entgiften, Entschlacken & Co. – Was bringt es wirklich?

Kapitel 2

2. Was sind Gifte?

Gifte sind Stoffe, die deiner Gesundheit ab einer bestimmten Dosis schaden, sobald sie in deinen Körper gelangen.

Jeder Stoff ist ab einer bestimmten Dosis giftig! Sogar das, was du sonst eigentlich als “gesund” kennst.

Alle Ding‘ sind Gift und nichts ist ohn‘ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“

Paracelsus
Foto by Elena Koycheva
Foto by Elena Koycheva

Was heißt das jetzt?

Unser Körper ist lernfähig und besitzt die geniale Eigenschaft, sich an neue Reize anzupassen. Das bedeutet, dass er geringe Dosen giftiger Substanzen bekämpfen kann, daraus lernt und Abwehrmechanismen entwickelt, um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein. Dieses Prinzip nennt sich Hormesis und beschreibt vereinfacht gesagt: “Was dich nicht umbringt, macht dich stärker”.

Ein paar Beispiele von Lebensmitteln und Stoffen, die in geringen Dosen harmlos sind, aber in hohen Mengen schaden können:

Bevor dir das alles aber tatsächlich irgendwie schaden könnte, müsstest du völlig unrealistisch hohe Mengen zu dir nehmen. Also keine Panik, denn bei einer “normalen und ausgewogenen” Ernährung brauchst du dir keine Gedanken machen!

Bei der Begriffsdefinition ergibt sich nun ein Problem: Die Hersteller diverser Detox- und Entgiftungskuren haben eine andere Definition von “Giften” als die Medizin. Genauer gesagt haben sie gar keine klare Definition. Wogegen Detoxprodukte genau helfen sollen, können sie ebenfalls nicht sagen.

Anhand der Werbeaussagen lässt sich aber zumindest ableiten, was gemeint ist: Allgemein so ziemlich alles, was irgendwie synthetisch ist und mit unserer westlichen Lebensweise verbunden wird.

  • Schwermetalle
  • Schadstoffe
  • Pestizide
  • Konservierungsstoffe
  • Lebensmittelzusatzstoffe
  • verarbeitete Lebensmittel allgemein
  • potenziell schädliche Produkte unserer Industriegesellschaft
  • Nikotin, Alkohol

Auch wenn es an einer eindeutigen Definition mangelt, ist doch ein Muster zu erkennen: Es gibt gut und böse, falsch und richtig, gesund und ungesund. Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist sehr typisch (auch für Diäten, die oft auch als  Detoxkuren vermarktet werden): Je extremer die Ausmaße der Listen an erlaubten und verbotenen Lebensmitteln, desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese Ernährungsform langfristig etwas bringt.

Was ist nun dran an den Giften im Körper?
In der Tat können sich synthetische Chemikalien in deinem Körper ansammeln und in hohen Dosen gesundheitsschädlich sein (12).

Ein paar Beispiele:

  • Persistente organische Schadstoffe (POP-persistent organic pollutants) wurden u.a. in Pestiziden, Farben und Kühlmitteln eingesetzt. Da sie sich aufgrund ihrer Fettlöslichkeit im menschlichen Fettgewebe ansammeln können, wurden sie verboten. Zwar existieren hauptsächlich gesicherte Studien an Tieren, jedoch gibt es genügend Beobachtungsstudien an Menschen, die offensichtlich zeigen, dass mit POPs nicht zu spaßen ist (13, 14).

    Ironischerweise sind Detox-Diäten, die zum Abnehmen gedacht sind, in diesem Fall völlig kontraproduktiv. Durch die Fettabnahme werden POPs vom Fettgewebe in den Blutkreislauf umverteilt und können hier noch größeren Schaden anrichten, da sie mit dem Blut zu Organen geleitet werden (15,16,17,).
    Obwohl POPs seit den 1970ern verboten sind, werden teilweise immer noch Spuren im menschlichen Blut, Fettgewebe und sogar der Muttermilch gefunden (19).  In so gut wie alle Lebensmittelgruppen lassen sich Spuren von POPs finden, vor allem in Produkten tierischen Ursprungs (20). Ob diese Überreste noch Anlass zur Sorge geben, ist unklar (21).
  • Weichmacher (Phthalate) sind in unserem modernen Leben unausweichlich. Sie befinden sich in Verpackungen, Kosmetik, Plastikspielzeug und in Kapselhüllen von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten. Bislang gibt es Hinweise, dass Weichmacher einen antiandrogenen Effekt im Menschen bewirken. Das bedeutet, dass sie den Hormonhaushalt beeinflussen und männliche Sexualhormone hemmen (22).  
    Mehr Informationen zu Weichmachern in Spielzeug gibt es hier: Verbraucherzentrale.
  • Bisphenol A (BPA) befindet sich hauptsächlich in Plastikverpackungen von Nahrungsmitteln und Getränken. Bislang gibt es Hinweise, dass BPA in Verbindung mit Unfruchtbarkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes steht (23,24). Allerdings sind die Mengen, denen du im Alltag ausgesetzt bist, so gering, dass du kaum Bedenken haben musst (25).  

    Über den aktuellen Stand der EU-Kontrollen kannst du dich hier informieren: EFSA: Bisphenol A

Neben den synthetischen Giften können hohe Dosen an natürlich vorkommenden Giften ebenso schädlich sein:

  • Schwermetalle (z.B. Blei, Quecksilber, Aluminium, Arsen, Kadmium) können sich ebenfalls im Körper ansammeln (26,27,28,29,30). Zum Beispiel haben Quecksilberrückstände im Blut eine Halbwertszeit von ca 57 Tagen (30). Bleiansammlungen in den Knochen haben eine Halbwertszeit von 20-30 Jahren (27).
  • Iod ist ein gutes Beispiel für “Die Dosis macht das Gift”: Ein Jodmangel kann zu Schilddrüsenproblemen führen. Ein Überschuss aber ebenso (31).
  • Schimmel, Allergene von Pflanzen, Tieren oder Lebensmitteln können ebenfalls der Gesundheit schaden (32).

Wie wird Chemie kontrolliert?

Foto by Rawpixel
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Wie kannst du dir nun sicher sein, dass dir das ganze künstliche Zeug nicht schadet? Irgendwie kann das doch nicht gesund sein und muss doch irgendwo landen?

Pestizide und Schadstoffe mögen tatsächlich alles andere als gesund sein und in der Tat ist eine unabhängige Kontrolle notwendig, um die Industrie im Auge zu behalten.  

Allerdings ist nicht gleich alles, was chemisch ist, gleichzeitig schädlich. Dein Körper, die Bio-Banane und der Detox-Juice bestehen letztendlich auch nur aus chemischen Elementen.

In der EU übernimmt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) die Überwachung für Chemikalien, die irgendwo zum Einsatz kommen und deinen und den Schutz der Umwelt gefährden könnte.

Letztendlich ist dies jedoch auch nur eine Organisation, die von Menschen geführt wird und bietet daher nicht zwingend Sicherheit. Die Gefahr von Interessenkonflikten besteht immer. Aber immerhin hat man sich Gedanken gemacht und Hersteller können nicht einfach machen, was sie wollen. Im reichen Deutschland müssen wir uns um so etwas wohl weniger Sorgen machen als in armen Ländern, in denen die Korruption und der Schwarzmarkt blüht.

Ironischerweise werden synthetische Substanzen stärker kontrolliert als Produkte der  Fitnessindustrie selbst. Du müsstest dir eigentlich größere Sorgen darum machen, ob Detox-Kuren für dich sicher sind, als dass du vorher vergiftet wurdest.

Bis 2017 durften Hersteller den Begriff Detox willkürlich verwenden. So wurden selbst einfache Kräutertees in Supermärkten und Drogerien als Detoxtees verkauft, ohne eine Nachweis für dessen Wirkung zu haben. Mit der EU Health Claims Verordnung wurde dieser Willkür zumindest etwas der Riegel vorgeschoben, sodass der Begriff Detox nicht mehr für Tees verwendet werden darf.

Aber die Hersteller waren äußerst kreativ und umschreiben den Begriff dann einfach elegant. So wurde ein Tee, der zuvor einfach “Detox-Tee” genannt wurde, in “detox your feelings” umbenannt. Andere spielen mit der Assoziation des Wortes und tauschen lediglich Buchstaben aus, sodass dem potenziellen Käufer sofort klar ist, worum es geht..

Wenn du selbst recherchieren möchtest, ob eine chemische Substanz bereits von der EU zugelassen wurde und ob sie sicher ist, kannst du dies hier tun: ECHA Registrierte Stoffe.

Ob etwas wirklich gesundheitlich schädlich für dich ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Vor allem die Dosis und ob du irgendwelche gesundheitlichen Dysfunktionen, z.B. an Leber oder Niere hast, sind entscheidend.

Fakt ist, dass kommerzielle Detox-, Entgiftungs- oder Entschlackungskuren dir in keinem Fall helfen würden. Für die Werbeaussagen, mit denen Detoxprodukte vermarktet werden, gibt es keine aussagekräftigen Nachweise.

Ein Expertenteam des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) und der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) brachte in einem Bericht 2012 folgendes Statement:

“although it is clear that certain environmental chemicals can interfere with normal hormonal processes, there is weak evidence that human health has been adversely affected by exposure to endocrine-active chemicals (14).

Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen: Ja, es gibt Gifte, aber das heißt nicht zwingend, dass sie dir dermaßen schaden, dass du dir Sorgen machen musst oder diverse Entgiftungskuren benötigst.

Eine echte Vergiftung ist ein medizinischer Notfall!

Bildquelle unsplash.com