Die Irrationalität des emotionalen Essens

Emotionales Essen ist nie das primäre Problem.

Emotionales Essen, ist vielmehr ein Versuch, ein Problem zu lösen, das bisher nicht gelöst werden konnte.

Je schmerzhafter die emotionale Bedeutung des Problems, desto größer ist die Bereitschaft, die langfristigen Kosten des Folgeschadens, für den kurzfristigen und temporären Gewinn der Schmerzbetäubung zu zahlen.

Foto by Johanna Kosinska


Beim emotionalem Essen zeigt sich ein besonderes Phänomen:

Es handelt sich mehr als offensichtlich um einen Kompensationsmechanismus und dennoch suchen die Betroffenen lieber die Lösung darin, einfach nur die Form der Kompensation zu verändern, statt sich zu fragen, was sie da eigentlich kompensieren.

Statt sich mit der Bedeutung des eigenen Verhaltens zu beschäftigen und sich zu fragen, was in einem selbst so eine Macht hat, dass man bereit ist, etwas zu tun, dass man eigentlich nicht wirklich will, beschäftigen sich die Betroffenen, lieber damit wie sie ihre Ernährung verändern und kontrollieren können, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Unterm Strich glauben sie dann ein Problem mit dem Essen zu haben, statt zu erkennen, dass das eigene Verhalten eine Schutzfunktion erfüllt, dessen Bedeutung erkannt werden muss.

Essen wird so zum Freund und Feind zu gleich, obwohl es doch nur Essen ist.


Oder anders gesagt: Man führt eine toxische Beziehung mit dem Essen.


Man lehnt etwas ab, das man eigentlich braucht.

Man will sich von etwas trennen, an das man sich klammert.

Man setzt sich in ein Gefängnis, aus Angst vor der Freiheit.

Diese Symptombekämpfung folgt dann einer Dopaminachterbahnfahrt:

Es wird eine Ernährungsform nach der anderen ausprobiert, sich gewissenhaft mit Essen und Ernährung beschäftigt, um sich selbst das Gefühl zu geben, sich mit der Problemlösung zu beschäftigen, ohne durch den Schmerz der Problemlösung gehen zu müssen.

Wer tatsächlich glaubt, emotionales Essen lösen zu können, indem sie/er nur die richtige Ernährungsform finden muss, um das Problem in den Griff zu bekommen, hat ihr/sein Problem nicht verstanden, ist aber großartig darin, sich selbst zu belügen.

Die gute Nachricht:

Solang die Selbstsabotage noch funktioniert, sind die Kosten der Selbstzerstörung noch tragbar. Als netten Nebeneffekt, macht man immerhin noch einige Fitnessinfluencer glücklich, da man ihr sorgloses Leben der Selbstdarstellung finanziert.

Die schlechte Nachricht:

Das Frohlügen funktioniert leider nicht dauerhaft, da Kompensationsmechanismen selbstverstärkende Prozesse sind. D.h. den steigenden Preis der Selbstzerstörung wird man eines Tages zahlen müssen und sich spätestens dann der schmerzhaften Problemlösung stellen müssen.

Ob man will oder nicht.

Foto by Keila Hötzel